An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an Sylver, der für diese Berichterstattung wie später zu lesen ist alles gab.
Von Lindau nach
Glurns
über Bregenz - Andelsbuch - Au - Fontanella - Bludenz - Bieler
Höhe - Landeck - Reschen - Glurns
Nach einem ausgiebigen Frühstück in meiner Unterkunft Tannheim in Lindau starte ich Samstag vormittags ohne festes Ziel Richtung Bregenz. Einzige Absicht: MX-fahren! Kurz vor der Grenze zu Österreich halte ich an der DEA-Tankstelle, um mich beim ADAC-Schalter nach den geöffneten Pässen zu erkundigen. Noch Mitte Juni muß mit Sperrungen gerechnet werden, so daß ich nach einem Blick auf die Videotexttafel mir spontan eine Route zusammenstelle.
Fontanella und
Faschina sind offen, Silvretta, Reschen und Ofenpaß auch schon.
Also: einmal Rund um den Piz-Buin, zu deutsch Ochsenkopf, die
höchste Erhebung im Silvretta.
Eine Karte brauche ich nicht, schließlich kenne ich mich aus.
Ich folge der
Uferstraße, einer alten Salzhandelsstrasse am süd-östlichen
Ausläufer des Bodensees in Richtung Bregenz. In der
Landeshauptstadt Vorarlberg ordne ich mich zunächst der
Beschilderung Richtung Bregenzer-Wald ein, um kurz nach dem
Spital links abzubiegen Richtung Kennelbach/Buch. Buchstäblich
wenige Meter später stellt sich schon das MX-Gefühl ein:
die Straße schlängelt sich der Klamm der Bregenzer Ach entlang
und ich kurve vorbei an schroffen Felsen, über Steinbrücken und
durch kleine Galerien und fühle: das Glück hat vier Räder!
In Alberschwende treffe ich wieder auf die Bundesstrasse 200 und
biege links ab Richtung Andelsbuch.
Ich bemerke, daß auch hier schon eine neue, begradigte Straße
gebaut wird. Schade, bald wird man nicht mehr dem wilden
Geschlängel der Ach folgen können.
An der Sommerrodelbahn in Bezau vorbei wird die Straße breiter, die Kurven werden langgezogener und nach einem kurzen Tunnel rollt der MX gelassen Richtung Au. Dort biege ich rechts ab auf die 193 Richtung Furka/Faschina. Die Straße steigt zuerst gut ausgebaut schnell bergan, um dann im oberen Drittel vor Damüls schmal und mit unübersichtlichen S-Kurven gespickt an Felswänden und Wasserrinnen entlang eine Verbindung zum Walser und Laternser-Tal herzustellen. Doch diesmal biege ich nicht ab Richtung Furkajoch, das mit seinem Parkplatz und der Vesperstube auf dem Gipfel immer wieder zu einer Rast im Schnee einlädt.
Über die Argenbachbrücke erfolgt die Auffahrt zum Faschinajoch über eine ewige, überdachte Rechtskurve, der Hahnenköpfelgalerie, die mir ein Ford Transit gründlich versaut. Über das kleine Plateau des 1500m hochgelegenen Ortes Faschina, bricht die Straße nach einer weiteren Kehrengruppe durch dichten Wald jäh ab, um bei Fontanella in schnellen und weit gezogenen Kurven, zum Teil über Trassen, auszulaufen.
Ich leiste mir ein Extra-Schmankerl und biege 3km hinter Sonntag über die kleine versteckte Steinbrücke links ab Richtung Marul / Raggal. Eine kleine Höhenstrasse (es ist kein Pass!) windet sich bestenfalls anderthalb-spurig durch Märchenwald bis über 1000m um an seiner höchsten Erhebung den Kirchturm von Marul zu zeigen, der die geografische Mitte Vorarlberg markiert. Leider wird die Strasse gerade an drei Stellen aufgerissen, so daß ich mit meinem MX dreimal böse Aufsetze. Doch die Serpentinenabfahrt nach Bludenz versöhnt das verbogene Kennzeichen.
Die Stadt der
Milka-Kuh empfängt mich mit Verkehrsgewirr. Doch ich brauche
keine Schokolade - der MX ist Versuchung genug und ich folge der
188 Silvretta-Hochalpenstrasse, die nach einer öden, geraden und
tempolimitierten 20 km Anfahrt Richtung Schruns ins Montafon
führt und zunächst über mehrere Talstufen nur langsam an Höhe
gewinnt.
Zu allem Überfluß wird es eiskalt und es fängt zu regnen an.
Also Verdeck zu. Gerne würde ich den MX jetzt laufen lassen,
doch die Tatsache, daß die Gendarmerie notfalls die
Geschwindigkeit schätzen darf, hält mich davon ab. Also die
neue CD von DE-PHAZZ rein und aufgedreht!
Die Mautstelle bei
Partenen weckt mich wieder auf: 20(!),- DM zahlen und Achterbahn
fahren!
Tatsächlich beginnt mit der Privatstrasse auf den Silvretta
durch das Vermunttal der fahrerisch anspruchvollste Teil der
Strecke.
Die 25 eng aufeinanderfolgenden, nach außen überhöhten Kurven
durch das Naturschutzgebiet sind ein Genuss. Jetzt macht das
schlechte Wetter wieder Spaß: nur wenig Gegenverkehr und
feuchter Asphalt laden zum Driften ein, für denjenigen, der die
Strecke kennt.
Nach 9 km durch schroffe Berghänge und habe ich 800 Höhenmeter
gewonnen um in Vegetationsgrenze am kurz Vermuntstausee
anzuhalten. Das milchig-trübe Türkis verschwindet im Nebel,
genau wie die Spitzen des Hochmarder (2833m) und das Große
Seehorn (3121m) der Silvrettagruppe.
Bei Saarbrücken
war letztens MX-Treffen und jetzt steh´ ich hier in Eiseskälte
nahe der Saarbrücker Hütte. Doch kein Mitleid, ich düse
weiter, will auf die übber 2000m gelegene Bieler Höhe mit dem
Silvretta-Stausee. Noch 5 Kehren und ich stehe an dem riesigen
Gletscher-Stausee, der gleichzeitig die Grenze nach Tirol
markiert.
Am Restaurant Silvretta fahre ich vorbei um ein paar Meter
später im Hotel Bieler Höhe den besten Topfenstrudel außerhalb
Wiens zu genießen.
Leider ist der Piz-Buin mit seinen imposanten 3312m gegenüber
immer noch nicht zu sehen, dichter Nebel fegt über den Grat.
Also weiter! Beim Abschieds-Pinkler frage ich mich, wo das jetzt hinfließt, ist doch der Silvretta-Gletscher die Wasserscheide zwischen Rhein und Donau. Und nicht nur das, sondern auch meist die Wettergrenze zum Paznauntal, wie sich beider Abfahrt im kurvenarmen aber landschaftlich reizvollen, weil dünn besiedelten Bett der Trisana zeigt.
Schon vor Galtür,
das immer noch die verheerenden Spuren der Lawinenkatastrophe
zeigt, fahre ich wieder offen und meine Begleiterin SAABine
streckt ihr Plüsch-Elchgeweih in die Sonne. Doch das macht
übermütig: ich überhole auf einer kurzen Geraden einen
Reisebus und schieße auf eine Brücke über die Trisana zu. Zu
spät bemerke ich: Behelfsbrücke aus Holz! Völlig querstehend
rutsche ich übers nasse Gebälk, um den MX erst wieder auf der
anderen Seite abzufangen.Die Busreisenden starren hinterher, ich
zieh mein Käppi tiefer ins Gesicht: Leute, das gehört so!
SAABine sieht mich vorwurfsvoll an.
Ich beschließe
mich nicht mehr mit dem doofen Plüsch-Elch zu unterhalten und
rolle gleichmütig nach Landeck.
Nach zwei Galerien und zwei Kehren (den einzigen) küngigt sich
schon die Industrie von Landeck an.
Ich muss aufpassen, nicht auf der Autobahn zu landen und entdecke
endlich die Wegweiser Reschen / Resia.
Zunächst unspektakulär im Verlauf, folge ich dem jungen Inn.
Aber ab Tösens macht die Fahrt wieder Spaß. Ich überquere den
Inn und die Landschaft verändert sich wieder, wird bergiger und
dünner besiedelt. Ich passiere unvermittelt ein altes Kloster,
das sich neben der Strasse in den Fels kauert. Doch anhalten
unmöglich - jetzt wird gefahren!
Ich kenne die Strecke und lasse den MX durch die folgenden
breiten aber schönen Kurvenpassagen durch kurze,
aufeinanderfolge natürliche Tunnels und Galerien fliegen.
Die Aussicht von
dieser Westrampe der Ötztaler Alpen über das Tal auf die
gegenüberliegende Samnaungruppe ist eine Wucht.
Ooops! Auf die Straße schauen - ein Boxster park vor mir her.
Ich warte auf die zwei Spitzkehren unter Nauders, um ihn
nasszumachen gelange über ein gerades Hochplateau über die
italienische Grenze zum 1500m hochgelegenen Reschensee.
Für diesen künstlich angelegten Stausee hat man einnganzes Dorf
geflutet, nur noch ein Kirchturm ragt einsam aus dem Wasser.
Nach einer Steinschlag-Schutzpassage entlang des Reschenufers
fahre ich nach St. Velentino am Haidersee. Die Straße fällt
jetzt über 6 sehr schnelle und breite Kehren in das Vinschgau
ab, das wie eine grüne Oase vor mir liegt. Sogar Wein wird hier
angebaut.
Bei Burgeis
verlasse ich die Bundesstrasse 40 und suche einen kleinen Weg
nach Glurns, wo ich Station machen möchte. Zu früh gefreut: das
Bilderbuch-Kurvensträsschen nach Schlinig ist eine Sackgasse und
ich fege die 7 km über Super-Grip-Belag wieder zurück.
Hoffentlich kommt niemand entgegen!
Schließlich finde ich Glurns und fahre über die Holzbrücke
durch das Stadttor in die kleine, komplett erhaltene
Festungsstadt am Ufer der Etsch. Am Marktplatz parke ich für
Tiroler Schinken, Weißwein und einen Espresso. Die Zeit scheint
stillzustehen in diesem malerischen Kleinod und genügend Hotels
und Pensionen laden zum verweilen ein.
Doch über eine Übernachtungsmöglichkeit mache ich mir keine
Gedanken, denn ...die Tiroler verkaufen ihr Bettchen und schlafen
im Stroh!
Und die Tirolerinnen?
Teil 2
Fit und gestärkt starte ich aus dem malerisch-verschlafenen vinschgauer Glurns - weiter auf meiner Umrundung der Silvretta-Gruppe.
Doch diesmal wähle ich meinen Weg nicht über Prado, um über die Königin der Alpenstrassen, dem Stilfser-Joch in die Schweiz zu gelangen. Die Wetterverhältnisse sind noch Mitte Juni zu unsicher und der Paß ist nur vom Süden her, d.h. von Bormio aus bis zur Tibethütte mit ihrem typischen Rundbaustil zu befahren.
Ursprünglich als
kürzeste Verbindung zwischen Tirol und dem österreichischen (!)
Mailand geplant, hat sich nur wenig an der einzigartigen und
abenteuerlichen Trassenführung mit ihren 48 Haarnadelkurven
geändert.
An schönen Tagen entschädigt der großartige Blick auf den
Ortler (3905m) über stark vergletscherte Talschlüsse,
firnglänzende Eiströme und gigantischen Hängegletscher, die
von dunklen und pyramidenförmigen Berghängen glänzen. Doch an
schlechten Tagen - so wie heute - zeigt sich die Tücke der
schlichtweg miserablen Strassenverhältnisse. Die 15-17% Steigung
der Ostrampenauffahrt finden sich schlauerweise nicht auf den ca.
300m langen Geraden der einzelnen Trassen, sondern in den
kopfsteingepflasterten Spitzkehren.
Außerdem müsste ich kurz hinter der Paßhöhe bei 2757m an der
schweizer Zollstation Cantoniera IVa auf die unbefestigte
Naturpiste des Umbrail-Paßes, der mit seinen gut 30 Kehren zum
Ofenpaß ins Münstertal führt.
Also von Glurns
direkt auf der kleinen und stellenweise engen Bundesstrasse 4
durch das - relativ - kurvenarme Münstertal. Die alte Strasse
Richtung St. Maria führt stetig ansteigen über Hänge und Almen
an alten Kirchen vorbei, um nach Taufers die schweizer Grenze zu
passieren.
Ein skeptischer Blick des Zöllners verrät mir, was er von
meiner Oben-Ohne-Aktion hält.
Nach der Grenze ändert sich das Bild der Landschaft nachhaltig:
ich fahre durch kleine Dörfer, die mit ihren manieristischen
weißen Steinarkaden aufgeräumter - irgendwie schweizerischer -
aussehen als die niedrigen Naturstein-Holzbalkon-Häusschen des
Vinschgau.
Durch Münstair geht es weiter nach St. Maria, das den Einstieg
vom breiten, grünen Münstertal in den stark bewaldeten und
unberührten Schweizer Nationalpark Oberengadin, mit seiner
einzigen Passage, dem Paso il Fuorn markiert.
Der - zu deutsch -
Ofenpaß steigt zunächst über drei, vier leichte Kehren nach
dem letzten Dorf an, um in sanften Schwüngen kilometerweit durch
Arven und Bergföhrenwald kurz unterhalb der Vegetationsgrenze
durch absolut unbewohntes Gebiet zu führen. Tatsächlich ist der
Park Naziunal il Fuorn mit seinem 150 km2 Berggebiet einer der
letzten Reservatein den Alpen, wo die Natur noch völlig sich
selbst überlassen ist. Das verlassen derStrasse ist nur auf
wenigen, ausgeschilderten Wanderwegen gestattet, um Flora und
Fauna nicht zu stören.
Ab und an gibt der Wald auf meiner Fahrt den Blick frei auf
verkarstete Gipfel. Langsam und unmerklich rücken diese Gipfel
enger, werden schroffer, um nach einigen schnellen Kehren in eine
jähe Passage in der Felswand kurz unter der Höchsten Stelle des
Passes überzugehen. Das Gestein ist gelblich und ich sehe über
der Anhöhe einen Adler kreisen.
Die Strasse fällt
nach der Fels-Engstelle sofort steil bergab, der MX wird wieder
vom Bergwald geschluckt um an dem Hochplateau Alp Buffalora noch
einmal sattes Grün zu sehen.
Das langgestreckte Hochtal entlang der Münster (...ist das noch
die Münster?) verführt zum schnellfahren, nur der Belag ist
längst nicht so griffig, wie aus Italien gewohnt, was ich bei
der abfallenden Links-Rechts am Hotel Park Naziunal il Fuorn
spüre. Also Fuß vom Gas, es wird jetzt eh wieder kurviger und
nach einer weiteren märchenhaften Waldpassage pfeilt mein
Silberner entlang schroffer Wände und Steingalerien.
Bei Punta la Drossa bietet sich die Gelegenheit, durch einen Mautpflichtigen Tunnel zum zollfreien Livigno am gleichnamigen Lago zu gelangen. Billiger Sprit, Zigaretten und Hochprozentiges ist ein Argument - aber nicht heute!
Der MX begleitet
jetzt die Spöl auf ihrem Weg zum Inn tief unter uns entlang
Geröll und Felsdurchsetzter Gipfel. Ich gewinne wieder an Höhe
und sehe über mit der gegenüberliegenden Val Cluezza mit dem
mächtigen Pyramidenförmigen Piz Quarterval nur frischen Schnee.
Eine seltsame Ahnung lässt mir die Nackenhaare aufstellen.
Doch der MX bringt mich schnell wieder auf andere Gedanken bei
der schnellen und kurvigen Abfahrt durch einige Galerien zurück
in die Zivilisation bei Zernez. Geschäftiges Treiben und - man
glaubt es kaum - Gegenverkehr empfängt mich.
In Zernez biege
ich links ab Richtung Susch. Ich will noch kurz über den als
sehr wintersicher bekannten Flüela-Paß zu dem mondänen Skiort
Davos, von da an der Landquart entlang, durch Lichtenstein und
wieder nach Lindau. Puh - das Gröbste habe ich jetzt hinter mir.
Denke ich!
Das kleine aber kurvige Stück an der Inn entlang durch die
üppige Vegetation des Val Susasca versetzt mich in Euphorie -
trotz oder gerade wegen des aufziehenden Regens. Pah, da muss
schon anderes kommen, um uns die Laune zu verderben! Meine stumme
Plüsch-Begleiterin SAABine nickt und zieht ein wenig das
Elchgeweih ein als ich den MX schließe.
Nebel liegt im Tal und ich kann keinen Blick auf den Piz Linard
werfen. Dahinter läge der Piz-Buin (wir erinnern uns:
Ochsenkopf), an seinem Nordhang der Gletscher-Stausee und die
Bieler Höhe. Ha! Halbzeit, denke ich.
In Susch muss ich
aufpassen, die steile Abzweigung zum Flüela direkt hinter den
zwei engstehenden Häusern nicht zu verpassen. Durch das
Nadelöhr, links rauf und schon rennt der MX nach drei enge
Kehren wieder bergan durch Fichten und Lärchenwald. Flüela
offen hat mir noch das grüne Hinweisschild Ortsausgangs
hinterhergerufen - von zunehmenden Regen war aber nicht die Rede
und ich muss die Scheibenwischer schneller stellen (Für Insider:
//\\// !!!).
Gegenüber den felsigen, dunklen Hängen des Piz Ras rase ich
nach einem Flachstück an der Susasca entlang und links taucht
das breite Val Grialetsch auf. Eshat weit heruntergeschneit. Eine
Kehrentrasse mit starker Steigung fordert meine Aufmerksamkeit
und ich bin in steiniger öder Hochgebirgswelt und sehe das
Flüela Schwarzhorn - Schneeweiß!!
Schneeregen (//\\//\\//) peitscht gegen die Scheibe, wird wohl
cool, wa? SAABine schaut gelangweilt aus ihrem Norweger-Pulli.
Das Elche immer so gesprächig sein müssen!
Drei Kilometer und zwei Spitzkehren später denke ich, mich tritt
selbiger - Schnee! 2,5 km unter dem Gipfel, an den zwei Seen in
eisiger Höhe bleibt der Schnee liegen! Die Strasse verschwindet
vor mir , ich orientiere mich an den hohen Markierungsstangen
entlang der imaginären Strasse. Ich spüre, wie der MX zu
rutschen anfängt. Die Strasse ist nach rechts hin abfallend, der
Wagen stellet sich quer und schiebt durchdrehend immer langsamer
werdend nach oben.
Die schicken
17-Zöllers schieben chancenlos gegen den Schnee an, der MX
kapituliert an der 14% Steigung kurz vor dem Gipfel und bricht
jäh mit dem Heck nach rechts weg.
Der ungesicherte Abgrund mit dem See unter mir kommt auf mich zu.
Ich halte, öffne die Fenster. Schneidende Kälte stürmt in
meine klimatisierte Sicherheit und ich versuche erneut
anzufahren.
Sofort drehen die Räder durch, das Heck driftet jetzt schon
bedrohlich nach rechts. Acht neun zehnmal wiederhole ich die
Prozedur, rolle rückwärts wieder ein Stück nach links um
Anlauf zu nehmen, drifte aber sofort immer wieder rechts weg, bis
ich im Spiegel schon das Heck an der rechten Fahrbahn
Markierungsstange (ein Glück, daß die 2 m hoch sind) angelehnt
sehe. Pow!
Rechts auf dem schmalen Rand zum Abgrund scheint etwas Grip
versteckt zu sein. Aber nochmal Heck-ausbrechen ist nicht mehr
drin. Der Schnee peitscht in den Innenraum, die Fenster
beschlagen, mir ist glühend heiß. Ich ziehe die Handbremse,
will noch mal rückwärts nach links ausholen.
Doch der MX rutscht stehend nach rechts - unendlich langsam. Es
braucht eine Zeit bis ich den einzigen Gedanken aus meinem Hirn
verbanne: wie erklär ich jetzt DAS schon wieder DER
VERSICHERUNG???
Es braucht Überwindung: ich löse die Handbremse und trete auf
die Bremse, den linken Türöffner schon im Griff. Der MX steht!
SAABine wirft mir einen kläglichen Blick zu. Wenn Elche den
Befehl aufzugeben geben, sollte man ihn befolgen.
Ich rolle rückwärts laaaangsaaaaam, immer nach rechts
wegbrechend, das Gebläse arbeitet auf höchster Stufe und ich
verbiege mir das Genick beim Blick aus dem Seitenfenster.
Nach zwei bis drei Kilometern (die mir wesentlich länger
erscheinen) rückwärts durch Spitzkehren, erreiche ich eine
Strassenmeistereihütte, wo der MX einen sicheren Platz zum
Wenden findet. Auf nach Susch - ein Hotelzimmer mieten und Fondue
essen, und Schweizer Schokolade und....
Durch meine wilden
Fantasien stiebt plötzlich ein knallorangenes
Stollenreifenmonster mit Schneeschild und Salzzentrifuge!
Aufgeschreckt hupe ich und wende halsbrecherisch. Ich drifte dem
Räumfahrzeug hinterher, das wie erwartet an der
Strassenmeistereihütte hält.
Ich steige aus und der Graubündner Fahrer verblüfft mich sofort
mit Feinsinn: Jaaa, mit äinem Sporrrtwaagn chommen Sie da
häuiite nicchht hinaaauff! Ja, ja, diese Schweizer - ist
das nun messerscharfe Präzision oder charmante Ironie?!
Ist auch egal -
schnell ist ein Deal gemacht: Ich helfe ein paar Zentner Salz zu
fassen und darf in der Schneise, die er schlägt
hinterherzockeln. Zwei Säcke Salz noch auf die Hinterachse
gepackt und auf geht´s!
Durch die Kehren schlittere ich noch hinterher - man sollte
keinen Unimog unterschätzen - aber an der 14% Steigung ist´s
wieder vorbei: Der Schneepflug zieht auf und davon und
verschwindet im Nebel. Ich hänge an der gleichen Stelle fest und
habe Gelegenheit die Vergänglichkeit meines Werkes Spuren
im Schnee zu betrachten.
Das stimmt mich traurig. Gut, ich kenne ja inzwischen den Weg und
fahre wieder rückwärts bis zur Strassenmeistereihütte.
Salz ausladen, wenden und nach Susch. Wegbeschreibung siehe oben.
Zuviel Frust: Kehre, Kehre, Kehre, Gerade, leicht links Kehre,
rechts, Kehre, Gerade, Kehre, Kehre, Susch. Basta.
In Susch links ab
Richtung Hochfinstermünz-Paß. Doch DER wird erst recht zu sein.
Ich schiele schon auf die Hotelzimerhinweise am Strassenrand, bis
ein Hinweis meine Aufmerksamkeit fesselt: Autoverlade Saglians!
Die muss neu sein, denke ich und rolle entspannter Richtung
Autoverladestation. Das ist es.
Im Radio dudel Didschäi Bobo und ich merke schmunzelnd: das
Leben kann ungünstigere Wendungen nehmen!
Mit SAABine pfeiffe ich das wohl grässlichste Duett südlich des
Silvrettas. Um den komm ich schon noch rum...
Unterkunft in Lindau: Gästehaus Tannheim Bregenzer Str. 16 88131 Lindau Tel. 08382-3736