Alpes Maritimes


 

4. Tag: Ein Land wartet auf den Winter

Was kann es Schöneres geben als am blauen Meer auf zu wachen, die Sonne aufgehen zu sehen und als einziges Tagesziel möglichst großes Fahrvergnügen zu haben.Morgen in Menton

Leichten Herzens lasse ich die anderen Hotelgäste in dem muffigen Frühstücksraum zurück. Mein Auto wartet am Straßenrand, nichts ahnend vom Abenteuer, das uns heute erwartet.
Erst einmal fahren wir gemütlich aus der Stadt hinaus Richtung Alpen, dann ist der Motor warm gelaufen und in forciertem Tempo geht’s zurück über den „Col de Castillon“ nach Sospel.
in SospelVon hier aus ist noch ein weiterer Pass zu erreichen: der „Col de Brouis“. Nach 21km abwechslungsreicher Kurvenfahrt stoße ich auf die Nationalstraße 204 nach Italien. Durch die Schluchten von Saorge und Bergue strebt sie dem „Col de Tende“ entgegen, über den die Staatsgrenze verläuft.
Ich komme an dem Ort Saorge vorbei, dessen Kernbebauung sich über- und ineinander verschachtelt an einen Berg schmiegt und einen interessanten Anblick bietet.
Wegen der Wichtigkeit der Verbindung ist die Fahrbahn der N204, wo es die Breite der Schlucht erlaubt, gut ausgebaut und die Serpentinen hinauf zum "Tunnel de Tende" sind breit angelegt.

In Sichtweite des Tunneleingangs folge ich aber der Empfehlung meines Pässeführers und biege links auf einen schmalen Weg ein - die alte Passstraße. Sie sei zwar nicht asphaltiert, der feine Schotter soll aber gut befahrbar sein und die Mühe mit In den "Gorges de Bergue"einer guten Aussicht belohnt werden.
"Col de Tende"Nach den ersten, engen Serpentinen fahre ich an einem geparkten Offroader-Gespann aus dem Kreis Lippe vorbei, dessen Fahrer mir noch nachwinkt. Einige Kurven später wünsche ich mir eben diesen Jeep statt meines MX-5 unter dem Hintern. Denn der feine Schotter wird immer gröber und schließlich zu einer Fahrbahn aus spitzen Steinen, durchzogen von Erosionsfurchen. Im ersten Gang nehme ich die Kurven, die so eng sind, dass ich den vollen Lenkeinschlag meines Autos ausnutzen muss. Ein paar Mal poltern Steine an den Wagenboden und ich rechne schon nach, wie viele Reifenschäden ich notfalls verkraften kann, ohne den ganzen Weg zu Fuß wieder zurück laufen zu müssen, denn wie auf den meisten hohen Pässen hat mein Mobiltelefon auch hier jeglichen Kontakt zur Außenwelt verloren."Col de Tende"

Für eine Umkehr ist es mittlerweile zu spät und das Grinsen des Jeepfahrers möchte ich mir ersparen. ‚Ein Mann muss tun was ein Mann tun muss’ - ich fahre weiter, passiere die Ruine eines verlassenen Passstation und halte schließlich doch an, denn in einem Punkt hat mein Reiseführer recht: Das Panorama, das sich von hier aus bietet, ist wirklich grandios!
Nach etlichen weiteren, nicht enden wollenden Serpentinengruppen erreiche ich schließlich doch die in einer Wolke liegende Passhöhe, 1871m über dem Meer, und halte erst mal an, um einen Kontrollgang um mein Auto zu machen. Wider Erwarten ist noch alles heil.
schlechte Wetteraussichten...Die Abfahrt ist dann glücklicherweise geteert und schön kurz, so komme ich gleich nach dem Tunnelausgang wieder in die Zivilisation zurück.

Ich bin nun in Italien, das ich aber bald wieder zu verlassen gedenke. Dazu fahre ich bei Borgo S.Dalmazzo auf die N21. Scheint das erst noch eine normale Verbindungsstraße zu sein so wandelt sich doch bald das Bild.
Das Tal verengt sich, die Straße steigt an und wird kurviger. Und die Dörfer werden kleiner und irgendwie verlassener. Je näher ich dem „Collo di Maddalena“ und damit der Grenze Italien-Frankreich komme, um so einsamer wird die Gegend.
See auf dem "Col du Larche"
Schon seit längerem ist mir kein Auto mehr begegnet, die Fensterläden der meisten Gebäude sind geschlossen und zwei Männer, die eine Herde Schafe auf einen Laster verladen, scheinen die einzigen menschlichen Lebewesen dieses Landstriches zu sein.
Dann sehe ich den Grund für die Einsamkeit: Einen alten Skilift. Hier scheint ein etwas abgewirtschaftetes Skigebiet zu sein, das auf den ersten Schnee wartet.
Das Erreichen der Passhöhe auf 1997m bietet dann auch den Höhepunkt der Szenerie: Wenig Grün, viel Gestein und Geröll, ein kleiner See und zwei verfallende Zollhäuschen, dazu bläst ein kalter Wind. Ich komme mir eher 600 als die 60km von der nächsten Stadt entfernt vor.

verlassenes ZollhausDie französische Seite des Passes - hier heißt er „Col de Larche“ - ist schon etwas freundlicher. Nach einigen Kilometern biege ich rechts nach St.Paul-sur-Ubaye und damit zum „Col de Vars“ ab.
Hier zunächst das gleiche Bild: Verfallende Dörfer und verrostete Skilifte, dazu ist die Straße auch noch in einem katastrophalen Zustand. Gebissträger sollten vor dem Befahren eine zusätzliche Schicht Haftcreme aufbringen.
schneebedeckte Gipfel am "Col du Vars"

Nach 14 Kilometern bin ich oben - und traue meinen Augen nicht: Die Farbe scheint in die Landschaft zurück zu kehren. Ein See, grüne Wiesen und ein großartiges Panorama mit den schneebedeckten Gipfeln der französischen und italienischen Alpen.
Ich stelle das Auto auf dem Parkplatz ab und betrete das frisch renovierte Gebäude an der Straße. Es erweist sich als kleine Kneipe mit Souvenirverkauf. Ich will Ansichtskarten und ein Snickers - denn der Hunger ist gekommen - kaufen, falle aber fast in Ohnmacht, als die Frau am Tresen 13 Franc dafür haben will.
"Col du Vars"Das Snickers soll tatsächlich 8 Franc, also 2,40DM kosten. Außerdem, so erklärt mir die Frau, habe sie zur Zeit keinen Strom und könne daher keine Kreditkarten annehmen.
Wir zählen also meine letzten französischen Münzen und großzügigerweise überlässt mir die freundliche Dame meinen Einkauf für die zusammengekommenen 9-Franc-irgendwas.

Die nun folgende Abfahrt nach Norden ist das genaue Gegenteil der Südrampe. Die Straße ist komplett neu geteert, die Kurven führen in schönen Schwüngen zu Tal und die Ortschaften sind proper herausgeputzt und voller schöner Kneipen und Pistenhotels. Das alles eingebettet in wirklich schöne Landschaft - romantisch!"Col du Vars"

In Guillestre plane ich das weitere Vorgehen. Als ideale Zwischenstation erweist sich das Formule-1-Hotel am Genfer See in Lausanne, weil ich morgen Nachmittag zu Hause erwartet werde.
Um dieses Hotel heute noch zu erreichen werde ich auf einige Pässe verzichten müssen. So entfällt zunächst hier der „Col d’Izoard“ und ich nehme die schnellere N94 nach Briancon und weiter zur italienischen Grenze.
Dieser vorgelagert ist der „Col de Montgenèvre“ - ein einziger Kurvenspaß mit beachtlicher Steigung. Auf italienischer Seite rausche ich hinab ins Tal nach Oulx mit seiner trutzigen Festung und weiter nach Susa. In diesem Gebiet wird 2006 die Winterolympiade statt finden, so verkündet es ein großes Schild.
"Col du Mt. Cenis"

Ich wechsle ein weiteres mal über die Landesgrenze und mache mich an den 1500 Höhenmeter überwindenden Anstieg auf das „Massiv du Mont Cenis“. Die Strecke fährt sich schön in flüssigen Kurven, die wahre Attraktion des „Col du Mt.Cenis“ erwartet mich aber auf seinem Sattel: Ein gigantischer Stausee, umrahmt von hohen Alpengipfeln. Ich komme mir plötzlich sehr klein vor angesichts dieses gewaltigen Panoramas."Col du Mt. Cenis"

In Richtung Schweiz würde sich nun von hier aus eine weitere, eindrucksvolle Pässetour anbieten: Über den „Col de l’Iseran“ und Val d’Isere nach Seez und von dort über den „Col du Petit St.Bernard und durch den Montblanc-Tunnel nach Chamonix.
Weil letzterer aber wegen Renovierungsarbeiten nach der letztjährigen Brandkatastrophe noch gesperrt ist müsste ich einen „Umweg“ über den Großen St. Bernardpass fahren.
Dazu ist der Tag aber eindeutig zu kurz und so biege ich in Lanslebourg nach links ab und erreiche über Modane und die Autobahn 43 am frühen Abend wieder Albertville.
Hinter Ugine durchfahre ich das sehr sehenswerte „Val d’Arly“ hinauf nach Megève. Von den nun folgenden Kurven hat man einen schönen Blick hinab in das weite Tal von St.Gervais-les-Bains und Le Fayet.

Nachdem ich dort bei einer Zollkontrolle meinen eigenen Pass herzeigen muss nehme ich noch den letzten französischen Alpenpass dieser Tour in Angriff: Den „Col des Montets“ hinter Chamonix.
Die Zollstation in Le Chatelard erreiche ich in der Dämmerung. Kurze Frage nach Zollgut, dann geht’s über „Col de la Forclaz“, Martigny und die schweizerische Autobahn 9 nach Lausanne, wo ich um 10Uhr ins Bett falle.

Bilanz: ca. 660km

Höhepunkte: "Gorges de Bergue"," Col de Larche", "Col de Vars", "Col de Montgenevre", "Col du Mont Cenis", "Val d’Arly"

 

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